Darl Mangelson, Chicago
Er ist als ehemaliger amerikanischer Missionar der deutschen Kultur sehr verbunden und ein guter Freund von Thorolf und Angelika. Er hat die Gedichtbände "Komm" und "Wer bist Du" gelesen und kommentiert, auch selbst einige Gedichte geschrieben. Das Gedicht "Die Auferweckung des Lazarus" von Rainer Maria Rilke (2013) hat Darl übersetzt. Den Text fügen wir hier bei für alle, die der englischen Sprache mächtig sind.
Zu der Geschichte des Textes teilt uns Darl folgendes mit: Das Original von Rilke liegt nur unvollendet und handschriftlich vor. Es scheint nirgendwo veröffentlicht zu sein. Darl hat die Unvollkommenheiten des Textes so akzeptiert und versucht, ins Deutsche zu übertragen. Wir bedanken uns für diesen interkulturellen Beitrag.
Rainer Maria Rilke
Auferweckung des Lazarus
Also, das tat not für den
und den, weil sie Zeichen brauchten, welche schrieen.
Doch er träumte, Marthen und Marieen
müsste es genügen, einzusehn,
dass er könne. Aber keiner glaubte,
alle sprachen: Herr, was kommst du nun?
Und da ging er hin, das Unerlaubte
an der ruhigen Natur zu tun.
Zürnender. Die Augen fast geschlossen,
fragte er sie nach dem Grab. Er litt.
Ihnen schien es, seine Tränen flössen,
und sie drängten voller Neugier mit.
Noch im Gehen wars ihm ungeheuer,
ein entsetzlich spielen der Versuch,
aber plötzlich brach ein hohes Feuer
in ihm aus, ein solcher Widerspruch
gegen alle ihre Unterschiede,
ihr Gestorben — ihr Lebendigsein,
dass er Feindschaft war in jedem Gliede,
als er heiser angab: Hebt den Stein!
Eine Stimme rief, dass er schon stinke,
(denn er lag den vierten Tag) — doch Er
stand gestrafft, ganz voll von jenem Winke,
welcher stieg in ihm und schwer,
sehr schwer ihm die Hand hob —
(niemals hob sich eine langsamer als diese Hand und mehr)
bis sie dastand, scheinend in der Luft;
und dort oben zog sie sich zur Kralle:
denn ihn graute jetzt, es möchten alle
Toten durch die angesaugte Gruft
wiederkommen, wo es sich herauf
raffte, larvig, aus der graden Lage —
doch dann stand nur Eines schief im Tage,
und man sah: das ungenaue vage
Leben nahm es wieder mit in Kauf.
Rainer Maria Rilke
THE RAISING OF LAZARUS
And so it had to be done for the common folk.
For they needed signs, the kinds that screamed.
Yet he hoped that, for Martha and Mary,
it sufficed simply to know
that he could. But none believed,
they all said: Lord, why come now?
And he went forth to impose the unallowed
upon peaceful nature.
The Angry One. Eyes almost shut,
he asked about the grave. He anguished.
To them it seemed his tears flowed,
and full of curiosity they crowded after him.
Even on the way he felt it monstrous,
an appalling frivolous gamble,
but suddenly there broke out within him
a raging fire, such indignance
toward all their distinctions,
their dead—their living,
that he was enmity in every limb,
as he commanded hoarsely: Lift the stone!
A voice called out that he must surely stink
(for he lay in the fourth day)—but He
stood stiffly, fully possessed of the gesture
which rose in him and heavily, so heavily
lifted his hand—(never has a hand
lifted itself and more so slowly)
until it was held high, shining in the air;
and from that height it pulled itself into a claw:
for now a dread came upon him
that all the dead might come again
through the siphoning of that tomb
where the thing was gathering itself up,
like a larva from its rigid state—
but then there stood in that day
just a single crooked thing,
and it was witnessed: the uneven vague
Life took it up again.