Tomàs Sedlàcek (2012): Die Ökonomie von Gut und Böse. Aus dem Amerikanischen von Ingrid Proß-Gill, Carl Hanser Verlag, München.

 

 

Der deutsche Titel ist etwas irreführend. Hier wird nicht die Frage nach Gut und Böse mit den Mitteln der Ökonomen analysiert, sondern der Autor versucht zu erklären, wie die ethischen Vorstellungen auch auf unser ökonomisches Verhalten rückwirken. Er geht dazu sehr weit zurück bis zum Gilgamesch-Epos, das zumindest in seinen Grundzügen schon im 3. Jahrtausend vor Christus entstand. Er zeigt auf, dass schon dort die angesprochenen moralischen und menschlichen Fragen eine Dimension von wirtschaftlicher Bedeutung hatten, so wie dann auch in der Literatur und Philosophie der Griechen. Er betrachtet auch die religiösen Weltanschauungen, von denen er besonders die in unserem Kulturkreis wirksam gewordenen untersucht, nämlich die Ethik des Alten und des Neuen Testaments und der christlichen Philosophen. Als er zur Neuzeit kommt, fängt er nicht mit den klassischen Ökonomen an, sondern mit der Erkenntnistheorie Descartes, die eine ganz neue Form der Annäherung an die Wahrheit gebracht hat.

Sedlacek bezweifelt, dass der Versuch, alles mathematisch zu erfassen und zu begründen der Weisheit letzter Schluss ist ohne diese Form der Erkenntnissuche als an sich negativ zu werten. Doch er betrachtet sie als einseitig: "Wir haben zu viel Weisheit gegen Exaktheit eingetauscht, zu viel Menschlichkeit gegen Mathematisierung." (S. 401) Dies führe auch dazu, dass sich die Wissenschaft immer weniger verständlich machen könne, ja, dass sich Kunstsprachen entwickelt hätten, die befürchten lassen, dass sich nicht einmal mehr Wissenschaftler verschiedener Disziplinen noch wirklich verstehen. Er erinnert in diesem Zusammenhang an die alte biblische Geschichte des Turmbaus von Babel.

Mich hat vor allem das Einfühlungsvermögen des Autors für die vorgestellten Weltsichten beeindruckt. Er hat sie nicht einfach wiedergegeben, sondern sich bemüht, ihren für moralische und wirtschaftliche Fragen ausschlaggebenden Grundgedanken zu erfassen. Zumindest für die Sichtweise, die ich am besten kenne (Neues Testament) ist ihm das wirklich gelungen.

So wird sein Buch zu einem interessanten Gang durch die abendländische Ideengeschichte, neu durch den besonderen Blickpunkt von dem aus er sie betrachtet.

 

Angelika Glumann, Zweig Werdau, Distrikt Erfurt